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Friedhof der Kuscheltiere !

Louis Creed, der als Dreijähriger seinen Vater verloren und seinen Großvater nie gekannt hatte, wäre niemals auf den Gedanken gekommen, in seinen mittleren Jahren einen Vater zu finden; aber genau das geschah- auch wenn er diesen Mann einen Freund nannte, was ein Erwachsener im allgemeinen tun muß, wenn er den Mann, der eigentlich sein Vater sein Sollte, relativ spät im Leben findet. Er begegnete diesem Mann an dem Abend, an dem er, seine Frau und seine beiden Kinder in das große, weiße, holzverschalte Haus in Ludlow einzogen. Mit ihnen zog Winston Churchill ein.

Church war der Kater seiner Tochter Eileen.

Die Personalkommision an der Universität hatte sich Zeit gelassen, die suche nach einem Haus in nicht allzu großer Entfernung von der Universität war eine Plage gewesen, und als sie sich endlich dem Ort näherten, an dem er das Haus vermutete- alle Landmarken stimmten, wie die Himmelszeichen in der Nacht, bevor Caesar ermordet wurde, dachte Louis morbide-, waren sie alle müde, nervös und gereizt. Gage zahnte und gab kaum einen Augenblick ruhe. Er wollte nicht schlafen, so viel Rachel ihm auch vorsingen mochte. Sie gab ihm die Brust, außerhalb seiner gewohnten Essenszeiten. Gage kannte seine Essenszeiten ebenso gut wie sie- vielleicht sogar besser- und biß sie promt mit seinen neuen Zähnchen. Rachel, die immer noch nicht recht wusste, was sie von diesem Umzug von Chicago, wo sie ihr ganzes bisheriges Leben verbracht hatte, nach Maine halten sollte, brach in Tränen aus. Eileen folgte unverzüglich ihrem Beispiel. Im hinteren Teil des Kombi wanderte Church immer noch so rastlos hin und her wie die ganzen drei Tage auf der Fahrt von Chicago bis hierher. Sein Geheul aus dem Katzenkorb war schon schlimm gewesen, aber sein rastloses Hin und Her, nachdem sie endlich kapituliert und in im Wagen freigelassen hatten, hatte sie fast um den Verstand gebracht.

Louis war selbst ein bisschen nach weinen zumute. Plötzlich kam ihm ein Gedanke, der verrückt, aber nicht ohne Reiz war. Er würde vorschlagen, dass sie nach Bangor zurückkehrten, um was zu essen und auf den Möbelwagen zu warten; und wenn seine drei >Glücksunterpfänder ausgestiegen waren, würde er Gas geben und davonfahren, ohne einen Blick zurückzuwerfen, den Fuß auf der Matte, während der mächtige Vierfachvergaser teures Benzin in sich hineinfraß. Er würde nach Süden fahren, bis nach Orlando, Florida, wo er unter neuem Namen in Disney World einen Job als Arzt erhalten würde. Und noch bevor er die schnellstraße, die gute alte Route 95 Richtung Süden, erreichte, würde er am Straßenrand halten und das verdammte Katzenvieh gleichfalls hinaussetzten.

Dann bogen sie um die letzte Kurve, und da stand das Haus, das bisher nur er gesehen hatte. Er war herübergeflogen und hatte sich die sieben Häuser angesehen, die sie anhand von Fotos in die engere Wahl gezogen hatten, nachdem ihm der Posten an der Universität von Maine sicher war ; und dies war das Haus, für das er sich entschieden hatte. Ein großes Gebäude im Neuengland-Kolonialstil ( aber neu verkleidet und wärmegedämmt; die Heizkosten waren zwar grausam, aber der Verbrauch hielt sich doch im Rahmen des Üblichen ), drei große Zimmer unten, vier weitere Oben, ein langer schuppen, in den man später vielleicht weitere Zimmer einbauen konnte- und alles umgeben von einer ausgedehnten Rasenfläche, die selbst in dieser Augusthitze noch üppig grün war.

Hinter dem Haus lag ein großes Feld, auf dem die Kinder spielen konnten, und hinter dem Feld streckten sich die Wälder, die fast bis in die Ewigkeit reichten. Das Grundstück grenzte an Staatsbesitz, hatte der Makler erklärt ; in absehbarer Zukunft sei nicht mit irgendwelchen Bauvorhaben zu rechnen. Die Überlebenden vom Indianerstamm der Micmac hatten auf fast achttausend Morgen Land in Ludlow und den östlich von Ludlow gelegenen Städten Anspruch erhoben, und der komplizierte juristische Prozeß, an dem sowohl die Bundes- als auch die Staatsregierung beteiligt war, konnte sich gut bis ins nächste Jahrhundert hinziehen.

Rachel hörte plötzlich auf zu weinen. Sie richtete sich auf. >> Ist es das ?<<

>> Das ist es<<, sagte Louis. Er verspürte Unbehagen- nein, er hatte Angst. In Wirklichkeit verspürte er sogar Entsetzten. Dafür hatte er zwölf Jahre ihres Lebens mit einer Hypothek belastet; Es würde nicht abbezahlt sein, bevor Eileen siebzehn war.

Er schluckte.

>> Was hälst du davon ?<<

>> Ich finde es wunderschön<<, sagte Rachel, und ihm fiel ein Zentnergewicht von der Brust- und von der Seele. Es war ihr ernst damit- das sah er an der art, wie sie es betrachtete, als sie in die asphaltierte Auffahrt einbogen, die um den schuppen im Hintergrund herumführte, wie ihre Augen über die kahlen Fenster glitten und sie in Gedanken schon mit Gardinen beschäftigt war, mit WACHSPAPIER FÜR DIE Schränke und mit Gott weiß was noch.

>> Daddy ?<< sagte Ellie vom Rücksitz. Sie hatte gleichfalls aufgehört zu weinen. Sogar Gage hatte aufgehört zu zappeln. Louis genoß die stille.

>> Ja, Liebling ?<<

Auch ihre Augen, im Rückspiegel braun unter dem dunkelblonden Haar, glitten über das Haus, den Rasen, über das Dach eines anderen Hauses ein stück entfernt zur Linken und über das große Feld, das bis an die Wälder heranreichte.

>> >Ist das unser neues Zuhause ?<<

>> Das soll es werden Kleines<<, sagte er.

>> Hurra !<< schrie sie, dass ihm fast das Trommelfell platzte.

Und Louis, dem Ellie gelegentlich gewaltig auf die Nerven ging, stellte fest, dass es ihm völlig gleichgültig war, ob er je einen Blick auf Disney World in Orlando warf oder nicht.

Er hielt vor dem Schuppen und stellte den Motor ab.

Der Motor tickte. In der Stille, die riesig schien nach Chicago und dem Verkehrsgewimmel in der State Street und der Loop, sang ein Vogel süß in den Spätnachmittag hinein.

>> Zu Hause<<, sagte Rachel leise, den Blick immer noch auf das Haus gerichtet.

>> Hause<<<, sagte Gage zufrieden auf ihrem Schoß.

Louis und Rachel sahen einander an. Im Rückspiegel weiteten sich Ellies Augern.

>> Hast du...<<

>> Hat er...<<

>> War das...<<

Sie redeten alle gleichzeitig, dann lachten sie alle gleichzeitig. Nur Ma< und hatte auch ein- oder zweimal etwas versucht, das vielleicht >Pa< heißen mochte, vielleicht aber auch nur in Louis Wunschdenken existierte.

Aber dies war, entweder zufällig oder nachgeplappert, ein richtiges Wort gewesen. Hause.

Louis hob Gage vom Schoß seiner Frau und drückte ihn an sich.

So kamen sie nach Ludlow.

Herausgegeben vom Bastei-Lübbe-Verlag



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